Motto 2016

»NACHTMUSIK«

DIE SEPARATVORSTELLUNGEN.
Es wäre ein Missverständnis, zu glauben, König Ludwig II. von Bayern hätte in seinen Separatvorstellungen einzig und allein den Werken Richard Wagners gehuldigt. Seine Interessen reichten weiter. Neben dem klassischen und modernen Opernrepertoire seiner Epoche sah und hörte er zahlreiche Aufführungen des Sprechtheaters einschließlich mehrerer Stücke, die er selbst in Auftrag gegeben hatte. Er genoss sinfonische Konzerte aller Art und zeigte durchaus auch Interesse für Kompositionen der leichteren Muse wie die eleganten Operetten Jacques Offenbachs. So erscheint es durchaus legitim, eine Saison der Herrenchiemsee Festspiele dieser weitgespannten Anteilnahme des Bayernkönigs zu widmen.

NACHTMUSIKEN.
Das Motto „Nachtmusik“ ließe sich deshalb ohne große Verrenkung durch den Begriff der musikalischen Soirée substituieren – wären da nicht strenge und gebieterische Werke wie die Bach-Kantaten des Eröffnungsabends, Antonin Dvoráks „Requiem“, das analoge und doch so gänzlich anders geartete Werk von Johannes Brahms oder Anton Bruckners 6. Symphonie; und wäre da nicht vor allem Gustav Mahlers 7. Symphonie, die den Begriff „Nachtmusik“ bereits im Titel zweier Sätze trägt. In all diesen Werken äußert sich zudem ein derart absoluter, überzeitlicher Anspruch, dass er mit saloppen Pauschalbegriffen schlechterdings nicht zu umfassen wäre. Es erscheint mithin fast unumgänglich, die zwei Begriffe „Nachtmusik“ und „Soirée“ unverbunden nebeneinander stehen zu lassen – und sei es um den Preis des Missverständlichen.

MUSIK UND SPRACHE.
Es darf deshalb auch nicht verwundern, dass ein Programm wie jenes des 21. Juli Eingang in das Gesamtkonzept fand. Denn Musik und Sprache bedingen einander hier grundsätzlich. Ohne Richard Dehmels Gedicht „Verklärte Nacht“ hätte Arnold Schönbergs frühe, noch zutiefst romantische Programm-Komposition niemals Gestalt annehmen können. Joseph Roths Roman „Radetzkymarsch“ spielt bereits im Titel auf Johann Strauß Vaters gleichnamige Komposition an. Und auch all die anderen Texte dieses Abends wären ohne die unlösbare Verbindung von Wiener Kaffeehaus und Musik kaum je zustande gekommen. Nicht nur dieser spezielle Abend, sondern auch zahlreiche andere unseres Festspielprogramms bis hin zu Franz Schuberts „großer“ C-Dur Sinfonie sind diesem speziellen Wiener Ideal verpflichtet.

SOIREE IN HERRENCHIEMSEE.
Die Konzerte in Schloss Herrenchiemsee sind ihrem Zeitpunkt und ihrer Dauer nach fast zwangsläufig Soireen. Wenn nicht gerade ein großes Opernwerk den späteren Zeitpunkt erzwingt, finden Rückweg und Überfahrt zum Festland in einem von der untergehenden Sonne umglänzten Dämmerlicht statt. So liegt es nahe, diese zeitlich saisonale Stimmung auch auf die Programminhalte auszudehnen. Die „Nachtmusik“ soll kein düsteres Programm sein, sondern ein vorwiegend helles, freundliches. Sie will Mut, sie will durchaus auch Laune machen. Sie will dem grauen Alltag den Glanz großer, festlicher Musik entgegenstellen. Auch wenn diese Musik bisweilen ins populär Geläufige hinüberspielt wie bei den ­ – allerdings überragenden – Filmmusik-Komponisten Ennio Morricone und Nino Rota: das große Haus der Musik hat viele Wohnungen.