„Die künstlichen Paradiese“ – Traumlandschaften der Musik
Als Charles Baudelaire 1860 seinen Essay „Les Paradis artificiels“ veröffentlichte, ging es zunächst nur um eine kritische Auseinandersetzung mit den schon damals grassierenden Modedrogen Haschisch und Opium. In seiner Abgrenzung des halluzinogenen Rausches vom schöpferischen „Außersichsein“ künstlerischer Inspiration formulierte Baudelaire jedoch zugleich ein Credo des 19. Jahrhunderts: die „künstlichen Paradiese“ der Phantasie als Gegenwelten, um der Banalität der Mitwelt stand zu halten.
Urbild und Inbegriff dieses „ekstatischen“ Künstlertums wurde der Mythos Tannhäuser in der künstlerischen Gestaltung Richard Wagners – wieder dank Baudelaire, welcher der Pariser Erstaufführung des Werkes eine begeisterte Würdigung zuteil werden ließ: Wer im „künstlichen Paradies“ des Venusbergs verweilte, war für die „intakte“ Scheinwelt eines ritualisierten Minnesängertums verloren; musste endlich – wie ein Drogenabhängiger – sowohl am Überdruss des Rausches wie an der Verlogenheit der Realität zugrunde gehen.